Die meisten der nicht mit den Arbeiten vertrauten Menschen kennt die
nunmehr seit 2008 durch die schweizerischen Kantone bei der Bewertung der Wertpapiere
von nicht börsennotierten Gesellschaften angewandte Praxis nicht. Auf dem
Papier besteht das Ziel, dass sich die Schweizerische
Steuerkonferenz (SSK) im Kreisschreiben 28 gesetzt hat, darin, das
Fundament für ein einheitliches System zur Besteuerung der von den natürlichen
Personen in ihrem Privatbestand gehaltenen Beteiligungen zu giessen.
Im Rahmen der kritischen Analyse der Sachlage und insbesondere der
Beurteilung der Auswirkungen auf die durch den einzelnen Steuerzahler
geschuldeten Steuern nimmt sich der Verfasser des vorliegenden Beitrags die
Freiheit heraus, einige Überlegungen anzustellen. Wenn auf der einen Seite die
Initiative der SSK, das Bewertungssystem zu vereinheitlichen, als lobenswert
betrachtet werden kann, so scheint es auf der anderen Seite klar, dass der
Zweck allein darin besteht, den Wert des Vermögens zu steigern, um dadurch eine
höhere Besteuerung zu erreichen und den Gemeinden und Kantonen demzufolge die
Möglichkeit zu bieten, höhere Steuern einzunehmen. So möchte ich darauf
hinweisen, dass diese Vorgehensweise nicht die direkte Bundessteuer (DBSt)
betrifft, die lediglich den Ertrag und nicht das Vermögen besteuert.
Das Thema ist sehr fachspezifisch und umfassend, weshalb mit dem
vorliegenden Beitrag die allgemeinen Grundsätze vergegenwärtigt werden sollen,
die bei der Bestimmung des Wertes der Wertpapiere, seien es Aktien oder
Gesellschaftsanteile, zur Anwendung kommen. Bei den hier gegenständlichen
Wertpapieren handelt es sich wohlgemerkt um Wertpapiere, die nicht an der Börse
notiert bzw. die nicht regelmässig gehandelt werden (laut einem Urteil des
Kantons Zürich versteht sich unter "regelmässig gehandelt", dass das
Wertpapier mindestens einmal pro Woche gehandelt wird).
Darüber hinaus möchte ich daran erinnern, dass der Fiskus in der Regel
eine Formel anwendet, die nicht nur die Höhe des Vermögens (Kapital,
Rücklagen und übertragenes Ergebnis), sondern auch den Ertragswert, d. h.
den Firmenwert berücksichtigt. Diese Vorgehensweise, insbesondere wenn es sich
um Gesellschaften handelt, die hohe Gewinne erzielt haben, benachteiligt den
Aktionär oder Gesellschafter, der zum Erfolg des eigenen Unternehmens
beigetragen hat, beachtlich, da dieser häufig übertrieben hoch für ein Vermögen
besteuert wird, das der Gesellschaft zuzuordnen ist, deren Aktien oder Anteile
er hält. Mitunter erodiert diese Vermögenssteuer das Kapital oder ist sogar
höher als die Einkommenssteuer. Ein weiterer Aspekt, den es bei der Anwendung
der Bewertungskriterien zu berücksichtigen gilt, ist der Besitz der
„qualifizierten“ Beteiligung, d. h. mindestens 10 % vom Kapital der
betroffenen Gesellschaft.
Vereinfacht ausgedrückt sind die Berechnungskriterien die doppelte
Berücksichtigung des versteuerten Nettoergebnisses des Jahres, summiert mit der
Kapitalisierung des im Vorjahr versteuerten Nettoergebnisses. Diese Summe wird
durch drei geteilt und ergibt den Ertragswert, der gegenwärtig zu einem
Zinssatz von 7,5 % kapitalisiert wird.
Der so erlangte Betrag wird doppelt berücksichtigt und mit dem Wert des
Eigenkapitals addiert (Aktien. oder Gesellschaftskapital, Rücklagen und
übertragene Gewinne). Anschliessend wird das Ergebnis durch drei dividiert. Zum
Beispiel:
Im vorliegenden Fall wird die Beteiligung des 100 %igen Besitzers der Gesellschaft unter seiner privaten Steuerposition in Höhe von 2'150'000.00 CHF besteuert, und das bei einem Nennwert von „nur“ 100'000.00 CHF bzw. einem Vermögen in Höhe von 300'000.00 CHF. Betrachtet man drei schweizerische Städte pro Region, so hätte der betroffene Steuerzahler (verheiratet), für den Fall, dass dieser Wert das steuerpflichtige Nettovermögen darstellt, eine Steuerbelastung in Höhe von 11'618.00 CH in Bellinzona TI (0,54 %), 10'872.00 CH in Bern BE (0,5 %) und 16'736 CH in Genf (0,78 %). Im Rahmen des nationalen Steuerwettbewerbs ist die günstigste Gemeinde Hergiswill (NW) mit einem Steuerbetrag von 2'334.00 CHF und die teuerste Gemeinde Chancy (GE) mit einem Steuerbetrag in Höhe von 17'171.00 CHF.
Der kritische Aspekt der angewandten Methode ist, wenn man zugesteht,
dass ein Gedanke der Einheitlichkeit bei der Ermittlung des Wertes auf
nationaler Ebene zugrunde liegt, einerseits die absolute „Virtualität“ des so
ermittelten Wertes und andererseits die Anwendung eines zu niedrigen
Kapitalisierungssatzes, der den Risiken in Verbindung mit der unternehmerischen
Tätigkeit nicht ausreichend Rechnung trägt. Nicht zuletzt kommt es nach den
praktischen Erfahrungen des Verfassers in der Realität nie vor, dass das
Unternehmen zu dem Wert veräussert wird, der durch die Anwendung des oben
beschriebenen Modells ermittelt wurde. Es ist daher offensichtlich, dass der
Zweck, den der Fiskus erreichen wollte, einzig und allein darin bestand, das
Vermögen über den Nennwert der Beteiligungen hinaus zu besteuern.
Schlussfolgernd soll der vorliegende Anstoss bewirken, dass die
Unternehmer über die Notwendigkeit nachdenken, eine angemessene Strategie für
die Gewinnverteilung umzusetzen, um somit von einer geringeren Besteuerung der
Dividenden zu profitieren, zumindest bis zu dem Moment, an dem die
bevorstehende Steuerreform, die dem Bundesrat zur Prüfung vorgelegt wurde, die
Kantone nicht dazu anregt, diese Entlastung einzuschränken.
Angelo Colombini
Gastroconsult AG
Sitzleiter Lugano
Dr. ec. comm.
Master in Tax Law
Zugelassener Revisionsexperte